Bereits nach 30 Sekunden postulierte der ORF-Superfußballexperte Helge Payer beim Nations League-Spiel Frankreich gegen Österreich: „Ballverluste sind nicht gut!“ Eine gewagte Prognose, weil Payer zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnte, wie sich das Spiel entwickeln würde. Aber er sollte recht behalten: Ballverluste sind nicht gut. Schon gar nicht gegen den regierenden Weltmeister und Nations League-Sieger des Vorjahres!
Was haben wir eigentlich geglaubt? Dass ein paar Ausfälle das französische Nationalteam auf das österreichische Niveau herunterschwächen würde? Dass die Spieler die Konzentration verlieren würden, nur weil ein hoher französischer Fußballfunktionär irgendwelchen Mitarbeiterinnen ungehörige sexuelle Avancen gemacht hatte? Dass die Franzosen nicht antreten würden, weil der erpresserische Bruder von Paul Pogba im Gefängnis sitzt? Die gesamte ORF-Schönrednerbande saugte während der Vorberichterstattung begierig an jedem Strohhalm, den ihr die französische Regenbogenpresse hingehalten hatte. Am Ende hatte nur Helge Payer die Situation als einziger durchschaut: Ballverluste sind nicht gut!
Kennen sie den Film „Das war der wilde Westen“? In diesem Film gelang es Regisseur John Ford und seinen Kollegen erstmals eine Bison-Stampede glaubwürdig und spektakulär auf die Leinwand zu bringen. Sie wissen natürlich, was eine Stampede ist! Eine Büffelherde gerät in Panik und stürmt in eine Richtung davon. Was die Franzosen in Panik versetzt hat kann ich nicht sagen, sicherlich nicht das österreichische Nationalteam. Aber wie Richard Widmark vor den rabiaten Bisons muss sich der arme österreichische Torhüter Patrick Pentz gefühlt haben, als die Blauhemden ununterbrochen auf ihn zugestürmt kamen. In der ersten Halbzeit gelang es Pentz noch mit Glück und herausragendem Können seinen Kasten gegen den Oberbullen Kylian Mbappé und seine Büffelherde sauber zu halten, Österreich führte zur Pause mit 0:0. In der zweiten Halbzeit gelang das nicht mehr und das Spiel endete 2:0 für Frankreich und das Ergebnis war noch das Positivste an diesem Abend.
Dabei kann man den Österreichern keine großen Vorwürfe machen, sie verteidigten brav, waren aber nicht in der Lage selber gefährlich zu werden. Ballverluste sind nicht gut! Gegen Ende des Spieles erkannte auch Teamchef Ralf Rangnick die Sinnlosigkeit seines Tuns und holte Alaba und Arnautovic vom Feld, um sie für eine möglicherweise bedeutungslose Partie gegen Kroatien am Sonntag zu schonen. Wenn nämlich Dänemark nicht gegen Frankreich gewinnt – und davon ist nach gestern auszugehen – steigen wir auch bei einem Sieg gegen die Kroaten in die B-Gruppe der Nations League ab.
Auch kein großes Malheur, wir sind dann halt nach einem kurzen Rangnick-Strohfeuer wieder dort, wo wir hingehören. Frankreich war gestern definitiv um ein bis zwei Nummern zu groß. Ballverluste sind nicht gut! Lieber Helge, Ballverluste kann man aber nur haben, wenn man auch ab und zu den Ball hat!