Das Wunder von Toulouse, oder: Herz spielt Fußball

Geld spielt Fußball, weswegen der von Öl-Milliardären finanzierte PSG Paris Serienmeister in Frankreich ist, aber das Herz spielt auch Fußball. Je größer es ist, umso mehr ist erreichbar. Und wenn man sieht, wie andere ihr Herz für eine Sache geben, dann wird die Zuneigung größer, dann wird man zum Fan. Ich gebe zu: In den letzten Wochen und Monaten bis ich zu einem begeisterten Anhänger des Toulouse FC geworden.

Der TFC ist ein Tabellennachzügler, einer, der regelmäßig in Führung geht und das Spiel zwischen der 89. und 94. Minute dann doch noch verliert. Der TFC, im Herzen des Südwesten Frankreichs, verfügt über gute Spieler, die man sich in der österreichischen Liga auch vorstellen könnte, bei Mattersburg, Wolfsberg, St. Pölten und leider nicht mehr bei Grödig, aber es ist ein Team der Namenlosen. Namenlose, die dem Abstieg geweiht waren. Am 27. Februar führen wir gegen Rennes 1:0 und verlieren mit zwei späten Toren. Ein Trainer geht, ein anderer kommt: Pascal Dupraz eilt der Ruhm eines Zauberers voraus, er ist mit Evian von der fünften in die erste französische Liga durchmarschiert. Doch die Aufgabe in Toulouse ist schwieriger. Der Rückstand auf den rettenden 17. Tabellenrang beträgt zehn Punkte, bei zehn noch ausstehenden Spielen.

Dupraz, der Motivator, der Einpeitscher, der Zauberer, leistet ganze Arbeit. Toulouse gewinnt bis zum letzten Spieltag vier Begegnungen, remisiert drei, verliert zwei. Und steht auf einem Nicht-Abstiegsrang. Doch ohne einen letzten Sieg in Angers hätte es nicht gereicht zum Klassenerhalt. Der TFC siegt 3:2, und das ist auch notwendig, denn zeitgleicht schlägt Reims das höher eingeschätzte Lyon klar. Großes Aufatmen.

Der Toulouse FC hat kein Team, das das elegantes Spiel pflegt. Die wenigen Male, in denen man spielen will wie der FC Barcelona enden mit Ballverlusten nach wenigen Sekunden. Schnelligkeit, Offensiv-Pressing, Glück in der Abwehr kehren das Sprichwort vom „hinten sicher stehen, und vorne helfe der liebe Gott“ um. Dupraz gelingt mit seinem Stürmerstar Ben Yedder, mit Kapitän Braithwaite, mit dem 17-jährigen Torhüter Lafont, mit vielen anderen, die ihr Herz geben bis zur letzten Minute, ein wahres Wunder.

Und ich wünsche mir so sehr, dass die österreichische Nationalmannschaft auch nach Toulouse kommt und auf diesen nunmehr historischen Platz den Einzug in das Viertelfinale fixieren wird. Die Koller-Elf muss nur die Gruppenphase als erste überstehen. Nur?! Geld spielt Fußball. Aber das Herz auch…

EgonTheiner_scaled2


Buchautor, Journalist und Verleger Egon Theiner, 188 cm groß, derzeit 103 kg schwer (Cassoulet!) arbeitet seit Jahresbeginn in Toulouse und wird sich bis zu EM-Beginn das eine oder andere Mal zu Wort melden.

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