Wie so oft im Leben, haben nur ein paar Zentimeter gefehlt. Vor seinem Tor hielten sich die Zehen von Arnautovic im Abseits auf, vor dem Elferfoul an Lainer, dessen Knie. Beides beim Stand von 0:0, beides noch in der regulären Spielzeit. Selbst am Tag danach fällt es schwer eine ironische Distanz aufzubauen, geschweige denn, einen satirischen Ansatz zu finden. Zu gut war das, was wir gestern vom österreichischen Team gesehen haben.
Zugegeben, in der ersten Spielhälfte hatten wir noch einen Heidenrespekt vor den scheinbar übermächtigen Italienern, da schimmerte der Beistrich durch die weißen Spielhoserln schon sichtbar durch. Und da hatten wir auch Glück, dass es in der Halbzeit noch 0:0 stand. Am nächsten dran war Immobile, der aus 20 Metern ansatzlos an die Stange knallte.
In der zweiten Spielhälfte aber begann ein österreichischen Sommermärchen, bei dem jedoch leider die Hexe überlebt und Hänsel gefressen wird. Mit mutigem Spiel und gutem Pressing übernahm unser Team immer mehr das Kommando und brachten den blauen Riesen ins Wanken, allein, er fiel nicht. Aber das war nicht das Verdienst der Italiener, sondern von VAR (im Volksmund: Verschissener Assistant Referee). Ganz Österreich jubelte noch und lag sich in den Armen ob des vermeintlichen Führungstreffers der Österreicher, als VAR den Zollstock ansetzte und Arnautovic im Abseits sah. Wenig später wurde Lainer im Strafraum klar gefoult, zum Elfmeter kam es nicht, weil die Kniescheibe von ihm vorher vorwitzig ins Abseits geragt hatte. In Wahrheit ist es zum Ausderhautfahren! Ein Freistoß von Alaba ging denkbar knapp über die Latte. Kann bei uns nicht einmal so ein Scheiß-Freistoß auch einmal hinein gehen? Das fragt sich zurecht der durchschnittliche, leidende österreichische Fußballfan. Die Italiener kamen in dieser Spielphase kaum zu nennenswerten Aktionen, Teamchef Mancini dürfte mit seinem Sturm nicht zufrieden gewesen sein und wechselte ihn – bis auf Insigne – komplett aus. Bis zur 90 Minute hatte er bereits viermal gewechselt, Foda lediglich einmal.
Mit viel Zuversicht ging’s in die Verlängerung und da zeigte sich wieder einmal was Österreich von einer guten zu einer sehr guten Mannschaft fehlt. Individuelle Klasse vor dem Tor und Kaltblütigkeit! Die Italiener nutzten zwei kleine Fehler der Österreicher und plötzlich stand es 2:0 für Italien. Aber die Österreicher gaben nie auf und es gelang sogar noch der Anschlusstreffer. Kalajdzic brach immerhin die 1169 Minuten dauernde Torsperre von Donnarumma. Apropos Donnarumma, diesen Öltank im italienischen Tor hätte ich beim Elfmeterschießen gerne umfallen gesehen. Doch dazu kam es leider nicht mehr und Österreich verabschiedete sich von der EURO 2021.
Die Tränen sind getrocknet, wir haben die Nase heute wieder oben und blicken hoffnungsfroh in die Zukunft. Ich habe den Eindruck, dass das österreichische Team hat bei dieser EURO ihr Spiel gefunden hat. Mit leichten Adaptierungen dort und da (vielleicht könnte Lainer doch noch Fußballspielen lernen) habe ich erstmals seit Jahren das Gefühl, dass hier wirklich eine attraktive Mannschaft im Entstehen ist. Vielleicht kann sie das ja bereits nächstes Jahr bei der WM zeigen. Aber da müssen wir uns erst einmal qualifizieren und das ist nach dem durchwachsenen Qualistart schwer genug.
Ach ja, es gab auch noch ein zweites Achtelfinale, gestern, bei dem die Dänen (mit dem Eriksen-Team-Boost) die Waliser mit 4:0 versenkten. Da sind wir wohl eleganter ausgeschieden, was aber leider Gottes, scheißegal ist!