EM-Finale: Die einen sagen so, die anderen so, wir sagen einmal so

Farnbergers heile azurblaue Welt:
„Football‘s coming Rome“! Brava, Squadra Azzurra! Italien hat Gastgeber England im finalen Elfmeterschießen bezwungen und nach 1968 zum zweiten Mal den Europameistertitel geholt. Ob es verdient war? Selbstverständlich! Italien gewann das erste Spiel dieser denkwürdigen Europameisterschaften und ging auch nach dem letzten als Sieger vom Platz. Unglaubliche 34 Länderspiele lang unbesiegt, die überzeugendste Turnierleistung aller 24 EM-Teilnehmer, eine gelungene Mischung aus erfahrener Defensive, ästhetischer Offensive und effizientem Krisenmanagement – der Titel gehört auf den Stiefel. Nach großen Triumphen in der Vorrunde wurde es für die Mancini-Mannen von Spiel zu Spiel enger. Doch immer wieder entwanden sie sich den in der KO-Phase ausgelegten Fallstricken, auch jenen des „Fast-Europameister-Bezwingers“ Österreich. Dumme Menschen sagen ja, eines der dünnsten Bücher der Weltliteratur sei die „Anthologie italienischer Heldensagen“. Nun, ihr Nörgler – jetzt haben Chiellini, Bonucci, Donarumma und Co ein dickes Kapitel hinzugefügt.
Die gastgebenden Engländer gingen furios in dieses Endspiel und führten bereits nach zwei Minuten mit 1:0. Aber wie schon im Halbfinale gegen Dänemark setzten sie aus unerklärlichen Gründen zu zaghaft nach, fingen sich wieder den Ausgleichstreffer ein und mussten sich auf die verhasste Penalty- Lotterie einlassen. England und Elfmeterschießen – darüber könnte man ein Buch schreiben, das dicker ist als alle englischen Kochbücher zusammen. Dass England dieses halbe Heimturnier nicht gewann, muss man keineswegs als tragisch bezeichnen. Wer sagt eigentlich, dass der Gastgeber die Haustombola gewinnen muss und bei der eigenen Party das größte Stück Grillfleisch erhalten und sich zur alkoholischen Festsau aufschwingen soll? Aber ihr habt ein tolles Endspiel ausgerichtet, und dafür sagen wir „Grazie mille“!


Simon the Lionheart versinkt in Tränen:
Schluss mit Farnbergers italophilem Geschwafel. Ich habe eines der schlechtesten Endspiele der Fußballgeschichte gesehen. Das frühe Tor – das immer wieder von Ahnungslosen herbeigesehnt, ja geradezu herbeigebetet wird – hat das Spiel ruiniert und Southgate dazu gebracht, sein Team zu vercoachen. Und wie!
Es ist eine Schande! Statt diese blaublassen Glücksritter nach allen Regeln der Kunst nach diesem Traumstart abzuschlachten, hatte Southgate die Hosen voll und bildete sich ein, einen Vorsprung 88 Minuten über die Zeit spielen zu können. Das ging natürlich schief und in der zweiten Hälfte der Verlängerung, als die todmüden Italiener um Wasser und ein Tor bettelten, quasi um die Henkersmahlzeit und den erlösenden Gnadenschuss, richtete Southgate seinen Fokus aufs Elfmeterschießen und wechselte dafür mit Rashford und Sancho zwei Kinder ein, die schließlich dem nervlichen Druck nicht gewachsen waren. Wie es geht hatten Kane und Maguire mustergültig vorgezeigt, aber die überhebliche Jugend glaubt nur einmal mit dem Arsch wackeln zu müssen und Donarumma erstarrt vor Ehrfurcht. Das war eine bittere Lektion, aber sicherlich auch eine lehrreiche!
Vor dem Spiel wurde spekuliert, ob Southgate im Falle eines EM-Titels zum Ritter geschlagen wird oder nicht. Jetzt soll er froh sein, wenn er nicht der Tradition gemäß enthauptet wird. Zumindest aber sollte man ihm einige Wochen im Tower von London die Zeit geben nachzudenken, warum er nach seinem eigenen verschossenen Elfmeter im EM-Semifinale 1996 gegen Deutschland nun wieder eine ganze Mannschaft mittels eines Elferschießens ins Unglück gerissen hat. Hosenscheißer!

Verfolge unseren Blog auf Facebook: