EM-Halbfinaltag 2: Das Traumfinale ist perfekt

Jetzt haben auch Farnberger & Simon ihr Traumfinale! Also, jetzt einmal abgesehen von einem Finale England gegen Österreich, aber wer das ernsthaft in Erwägung gezogen hat, sollte sich schleunigst einem Selbsttest unterziehen, ob noch alle Lampen am Luster brennen. England gegen Italien! Wie klingt das?
Während Farnberger immer der Squadra Azzurra anhing, mit Rossi jubelte und mit Baggio weinte, war mein sentimentaler Favorit immer England, mir blieben in den letzten 50 Jahren immer nur die Tränen. Während Italien so tolle Dinge hervorbrachte wie den Catenaccio und Marco Materazzi, grenzten die Darbietungen des Mutterlandes des Fußballs jahrzehntelang schon hart an Kindesweglegung. Aber nun ist es so weit: England gegen Italien in einem wichtigen Finale, das gab es in den Lebenszeiten von Farnberger & Simon noch nie. Vorher übrigens auch nicht. Während sich mein sechstes Lebensjahrzehnt bereits bedrohlich dem Ende zuneigt, wird es bei Farnberger nicht viel anders sein, aber das kann ich nur vermuten, zu schätzen ist er schwer. „Dass wir das noch erleben dürfen!“, sagen wir im Chor.
Dieses Finale ist der würdige Abschluss einer grandiosen Fußballeuropameisterschaft. Trotz Verschiebung, trotz dem „Corona-Dreck“ (O-Ton: Baumgartner), trotz dem Sammeln von klimafreundlichen Flugmeilen wegen des hirnrissigen UEFA-Modus gab es begeisternde Spiele, viele Tore, viele Eigentore, eine gute EM der Österreicher und – nicht zu vergessen – den ersten direkt verwandelten Freistoßtreffer bereits im zweiten Halbfinale durch die Dänen.
Genau bei diesem Freistoßtreffer, dem Führungstreffer der Dänen gegen England im Halbfinale, hatten plötzlich 60.000 Engländer im Londoner Wembley-Stadion das Gefühl, dass der Fußball zwar nach Hause gekommen war, aber nur um zu sagen, dass er sich ein paar Sachen zusammenpackt, weil er künftig in Dänemark wohnen will. Nur die Engländer auf dem Rasen ließen sich nicht entmutigen und schafften nach kurzer Zeit den Ausgleich. Trotz weiterer starker Bemühungen der Three Lions und gefährlichen Konterstößen der Dänen blieb es nach 90 Minuten beim 1:1.
Der englische Coach Gareth Southgate hatte ja im EM-Halbfinale 1996 großen Anteil daran, dass Deutschland wieder Europameister wurde, indem er den entscheidenden Elfmeter im Elfmeterschießen verschoss. Dieses Elfmeter-Trauma gab er in diesem Halbfinale offenbar eins zu eins an seine Spieler weiter. Sie spielten in der Verlängerung weiter mit hohem Risiko, als lautete die Parole: „Alles, nur kein Elfmeterschießen!“. Die bereits müden und verdutzten Dänen brachten nicht mehr viel zustande, auch die Eriksen-Masche zog nicht mehr. Trotzdem brauchten die Engländer einen Elfmeter (welche Ironie!), besser gesagt, einen Elfmeternachschuss, um schlussendlich das Finale zu erreichen. ORF-Kommentator Oliver Polzer nutzte diese Gelegenheit, um dem verblüfften österreichischen Fußballfan zu erklären, dass Nachschüsse im Elfmeterschießen nicht gestattet sind. Dafür sagte er diesmal nur dreimal „heikel“, einmal sogar im richtigen Zusammenhang.
England gegen Italien! Das klingt nach Fußballleckerbissen, das verspricht – nach den bisher gezeigten Leistungen – ein Offensivspektakel gegen die besten Verteidigungen und mein sentimentaler Favorit bleibt England. Aber eigentlich ist das egal, wichtig ist nur, dass es überhaupt ist!

Verfolge unseren Blog auf Facebook: