Haben Sie ihn gesehen? Diesen Helden, diesen Tausendsassa, den Panther von St. Petersburg, diesen stolzen Spanier! Unai Simón – offenbar aus einer spanischen Seitenlinie unserer Familie – hielt im Elfmeterschießen gegen die Schweiz zwei Elfmeter und verunsicherte damit Vargas derart, dass dieser die Kugel zwei Meter über die Latte jagte.
Noch im Achtelfinale habe ich einen ganzen Kübel Spott ob seines genialen Aussetzers im Spiel gegen Kroatien über Simón ausgeleert und jegliche Verwandtschaft mit ihm kategorisch ausgeschlossen. Bei genauerer Recherche jedoch könnte es sein, dass mein Urgroßvater in den Dreißigern des vorigen Jahrhunderts im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft hat – womöglich gar Seite an Seite mit Ernest Hemingway. Wer weiß? Auf jeden Fall war er im Ersten Weltkrieg in Montenegro in Kriegsgefangenschaft und dort haben wir definitiv Verwandte, auch wenn wir sie nicht kennen. Urgroßvater war sehr leicht zu integrieren. Also, wenn er in Spanien war, haben wir auch Verwandte dort.
Zurück zum Spiel: Bis zum Elfmeterschießen, das als eines der armseligsten in die EM-Geschichte eingehen wird – auch die Spanier verschossen zwei Elfmeter – war das Spiel auch nicht viel reicher an attraktiven Szenen. Die Spanier spielten ihr erfolgreiches aber einschläferndes Altherren-Kicksi-Kacksa und die Schweizer trauten sich nach einem Ausschluss nicht mehr über die Mittellinie. Hätte Oliver Polzer nicht zwischendurch ohne den geringsten Anlass immer wieder einmal laut “Achtung!” geplärrt, hätte ich wahrscheinlich auch noch das Elferschießen verschlafen. Zu sagen, dass diese Partie das Vorspiel der Reserven vor dem Hauptspiel war, würde den meisten Reserven unrecht tun.
Das Hauptspiel verdient aber dann auch diesen Namen. In einer hochklassigen Partie setzte sich Italien gegen Belgien mit 2:1 durch. Getrübt wurde dieses Vergnügen nur von gelegentlichen Wehmutsanfällen, verbunden mit dem illusionistischen Wunschbild, dass hier – bei ein bisschen mehr Einsehen des Fußballgottes – anstatt der Italiener auch unsere Österreicher hätten laufen können. Neben ihrem unbestrittenen Können hatten die Italiener auch wieder – wie gegen Österreich – das nötige Glück um diese Runde zu überstehen. Lukaku allein hätte zumindest für den Ausgleich sorgen müssen, wenn nicht für mehr. Noch hält der Fußballgott seine Hände schützend über die Squadra Azzurra, ich weiß nicht ob der Papst gute Verbindungen zu Fußballgöttern hat, zumindest aber sind sie aus derselben Branche. Aber so kann man ohne Weiteres Europameister werden. Nichts mehr vom unsympathischen Catenaccio – dem lustigerweise der Schweizer Riegel des Österreichers Rappan zugrunde liegt (Achtung, Klugscheißerwissen!). Das italienische Team hat eine Imagekorrektur durchgemacht, man fiebert mit ihnen mit, man gönnt ihnen die Erfolge (außer den gegen Österreich) und als sich der seit Anbeginn der EM sensationell spielende Spinazzola bei einem falschen Schritt verletzte, spürte sogar ich einen Stich im Oberschenkel. Ich hoffe nun zumindest, dass das frische Spiel der Italiener im Semifinale dem Altherren-Kicksi-Kacksa der Spanier den Garaus macht.