Was haben Farnberger und Simon nicht gejammert, nach dem knappen Aus des österreichischen Fußballteams bei der letzten Europameisterschaft gegen das italienische Team. „Wir werden diese Azzurri in unserer Lebenszeit nicht mehr besiegen, vielleicht erleben das unsere Söhne, wir sicherlich nicht mehr!“, so haben sie geklagt und so unwahrscheinlich war das gar nicht, lag doch der letzte Sieg gegen Italien bis gestern bereits 62 Jahre zurück. Sogar mein Vater – Jahrgang 1938 – hat nur diesen einen Sieg erlebt, den der vorletzte stammt bereits aus 1937. Kurzum: Man gewinnt nicht jeden Tag gegen Italien! Aber gestern schon, und wie!
Während die Fußball-WM in Katar eröffnet wurde, trafen sich zwei Zurückgebliebene zu einem Jahreskehraus. Aber dass der regierende Europameister Italien nicht ins kühle Happel-Stadion gekommen war, um den Gastgebern zu einem historischen Sieg zu verhelfen, war bereits nach wenigen Sekunden klar. Alaba rettete bereits in der ersten Minute in den Corner, die anschließende Chance vergab Raspadori. Normalerweise liegen wir da schon mit 0:1 zurück, aber an diesem Abend hatte der Fußballgott wohl einen anderen Plan. Die österreichische Mannschaft schüttelte sich und begann Fußball zu spielen, wie sie es schon seit Jahren nicht mehr getan hatte. Hohes Pressing, souveräne Verteidigung, lange Ballstafetten mit One-Touch-Fußball, Farnberger und Simon blieb der Mund vor Staunen offen. Bereits in der 6. Minute führte ein erfolgreiches Tackling zum Führungstreffer. Schlager attackiert, Arnautovic schnappt sich den Ball, spielt ihn am Sechzehner ideal für den nachgesprinteten Schlager auf und es steht 1:0 für Österreich. Das österreichische Glück war perfekt, als Alaba auch noch einen Freistoß aus 25 Metern Entfernung sehenswert über den Weltklassetormann Donnarumma ins Netz knallte. Und das Schönste, Österreich hätte zur Halbzeit auch noch höher führen können. Der regierende Europameister wurde regelrecht an die Wand gespielt.
Die zweite Halbzeit bot ein anderes Bild, die Österreicher verlegten sich aufs Kontern und lieferten eine heroische Abwehrschlacht, an deren Ende schließlich der historische 2:0-Erfolg über Italien stand. Nachdem die zweite Halbzeit nicht ganz so spektakulär verlief wie die erste, konnte man auch das eine oder andere Wort mit der beim Home-Viewing anwesenden Fußballfanfrau wechseln. Diese beklagte in erster Linie, dass die aktuelle Generation italienischer Fußballspieler nicht mehr viel mit dem Ruf des Latin Lovers zu tun hätte, der von Gigi Riva, Rivera, Sandro Mazzola, Dino Zoff und anderen begründet wurde. Auf meinen Hinweis, dass das erstens ein übles Klischee und zweitens Schönheit keine fußballerische Kategorie sei, folgte eine Anmerkung der Fußballfanfrau, die in diesem Rahmen nicht wiedergegeben werden kann. Nur so viel, es kamen die Ausdrücke „grobbehauene Rohlinge“ und „Meister Geppetto“ in ihren Ausführungen vor. Farnberger und Simon weisen solche Diskriminierungen entschieden zurück, wir sind ja schließlich in Wien und nicht in Doha.
Apropos Doha: Als Vorspiel, quasi, zu Österreich – Italien, fand 35 Kilometer von Doha im Al-Bayt-Stadion das Eröffnungskickerl zur aktuellen Fußball-WM zwischen dem Veranstalter Katar und Ecuador statt. Auch das endete 2:0 und zwar für Ecuador, eine erste herbe Enttäuschung für das so hoffnungsvolle Gastgeberland. Nicht nur Farnberger und Simon sind der Meinung, dass das bessere Fußballspiel in Wien stattgefunden hat, sondern auch der österreichische Teamchef Ralf Rangnick. In Anspielung auf die gekauften Unterstützer von Katar bei der WM, meinte er auch noch, dass es in Österreich nicht notwendig wäre, dass man Fußballfans bezahlen müsse, damit sie ihre Mannschaft unterstützten. Obwohl: Die gestrige Partie hätte noch einige Zuschauer mehr verdient gehabt. Aber nach diesem Auftritt des österreichischen Teams ist beim nächsten Mal die Hütte sicherlich wieder voll!