Im Zeitalter des absoluten Fußball-Overkills mit fast täglichen TV-Übertragungen fühlen sich drei länderspiellose Monate fast wie eine Ewigkeit an. Etwas verblasst war daher schon die Erinnerung an die beiden Auftaktheimsiege gegen Aserbaidschan und Estland. Mit Belgien wartete aber nun ein anderes Kaliber auf der langen Wegstrecke zur EM nach Deutschland 2024. Eine Nachbetrachtung über Teufel, Freudenfunken und Fegefeuer…
Selten musste David Alaba so ackern wie In seinem 100. Länderspiel. (Jugendbild zu Karrierebeginn).
„Wir wollen etwas mitnehmen“, bemühte David Alaba im Vorfeld seines 100. Länderspiels eine doch recht abgedroschene Floskel, die beim „Doppelpass“ auf Sport 1 sicher mehrere Euros an Phrasenschweinchenfutter gekostet hätte. „Etwas mitgenommen“ war das ÖFB-Team allerdings schon nach der Anreise nach Brüssel. Mit derartigen Flugstrapazen und Verspätungen, wie sie der Trip in die EU-Hauptstadt bescherte, hätte man eher später im Jahr im Umfeld des Auswärtspiels in Baku gerechnet! Sei´s drum, die österreichischen Kickern wirkten von Spielanpfiff an alles andere als müde und ausgelaugt. Das hervorragende Pressing im Stile des (dereinst auch in Belgien erfolgreichen) Ernst Happels hielt die gefürchteten Belgier zumindest die erste Viertelstunde in Schach. Dies war bereits der erste Hoffnungsfunke für die bangenden rotweißroten Fußballfans. Dieser Funke wuchs sich in Minute 21 zu einem zwischenzeitlichen Freudenfeuer aus: Nach einem unserer raren Eckstöße kam der Ball auf den Innenrist des Angreifers Gregoritsch. Dessen nicht ungeschickt in Richtung belgisches Tor angetragener Schuss wurde vom Verteidiger Orel Mangala brillant finalisiert.
Die Hoffnung auf einen Punktegewinn wuchs, doch nun kam die lange Phase des Leidens! Nun entfaltete sich das grimmige Flügelspiel der Belgier, initiiert von Jungstar Lukebakio. David Alaba hatte in seinem Jubiläumsspiel in dieser Phase keinerlei Zeit sich mit Zauberflanken und Traumpässen selbst zu feiern. Zum Hunderter musste er hinten ackern wie selten zuvor. Er machte dies sehr gut und gab dadurch auch der restlichen Verteidigung Halt und Sicherheit. Dennoch bedurfte es einiges an Glück, um die Führung in die Pause zu retten.
In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild nur unwesentlich. Belgien drängte und kurbelte, Österreich stemmte sich dagegen. Auch wenn das Übergewicht der Gastgeber größer war als in den ersten 45 Minuten, konnte Rangnicks Elf ebenfalls tadellose Chancen, etwa durch Schlager, Posch und den eingewechselten Sabitzer, verbuchen. Waren es in Hälfte eins eher die Youngsters, die das Spiel der „Diables Rouges“ gefährlich machten, setzte sich nun der schon arrivierte Belzebub Romelu Lukaku verstärkt in Szene. Logische Konsequenz dieser Druckphase war der Ausgleichstreffer in der 61. Minute. „Viel zu früh“, argwöhnten die eingefleischten, leidgewohnten österreichischen Fußballfans im König Baudouin-Stadion oder vor den Fernsehgeräten und Laptops. Ja, es folgte eine nervenzerrüttende Phase, in der man sich wieder einmal in einem abstrusen Dilemma gefangen fand: Einerseits war man um nichts in der Welt gewillt, sich auch nur einen Augenblick gedanklich vom Fußballdrama abzuwenden. Gleichzeitig beneidete man jene fußballdesinteressierten und daher leidbefreiten Mitmenschen, welche sich zur Stunde des Brüsseler Showdowns in Yogakursen, Nagelstudios oder Heurigenschänken aufhielten und deren fehlgeleitete Herzen jegliche Fußballemotion abhüteten.
Jedenfalls war es so: Die Roten Teufel wollten uns nun in die Hölle der Niederlage ziehen. Diese blieb uns letztlich erspart, doch litten wir bis zur allerletzten Minute des Spiels, in welcher uns das Lattenkreuz aus dem furchtbaren Fegefeuer errettete.
In der Tat haben wir mit diesem aufregenden Unentschieden „etwas mitgenommen“, und wir alle waren danach „etwas mitgenommen“! Die Erholungsphase für Spieler und Fans ist aber mehr als kurz. Ein schlechtes Resultat im kommenden Heimspiel gegen Schweden könnte wieder vieles zunichtemachen.