Manifest zur Reproletarisierung des Fußballsports

(inspiriert durch H.C. Artmann und Peter Plener)

Fußball ist ein einfaches Spiel, was gar nicht so einfach ist allen deutlich zu machen. Lange war Fußball ein Spiel für die einfachen Leute und vielen Vertretern höherer Schichten galt die Ausübung dieses Sportes geradezu als verabscheuungswürdig. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätten väterfürchtige Söhne ihren Erzeugern lieber einen Hühnerdiebstahl gestanden als die Ballesterei mit dem Fetzenlaberl. Fußball war das Schmuddelkind unter den Ballsportarten. Die High-Society spielte Tennis, Billard und Krockett, die Minderbemittelten jagten dem Fußball nach und standen gesellschaftlich daneben. Da es schon immer mehr Minderbemittelte gab als Nichtminderbemittelte, war der Fußball aber stets populärer als andere Modesporterscheinungen. Das erkannten auch jene, die ihn verachteten, und da sie ihn verachteten, suchten sie ihn in ihrer Verachtung auch auszubeuten. Es ließ sich prächtig Kapital daraus schlagen, wie sie sehr bald erkannten. Sie putzten das Schmuddelkind zu einer attraktiven Braut auf, um welche plötzlich auch Politik, High-Society und Hochkultur herumscharwänzelten. Die Minderbemittelten standen abermals daneben und manchmal auch neben dem Stadion.
Deshalb also rufen wir auf:

Wir protestieren mit allem Nachdruck
gegen alle trittbrettfahrenden Schöngeister von eigenen Gnaden,
die aus gegebenem Anlass den Fußballsport
plötzlich zu ihrer einzigen Leidenschaft erklären
und in den Mittelpunkt ihrer schauderhaften,
ipsistischen und verbalistischen Ergüsse rücken.

Es ist eine bodenlose Unverschämtheit
und ein empörender Vorwitz sondergleichen
von diesen – gleichermaßen dummdreisten
Schnöseln wie rotzfrechen Gfrastsackeln -,
die all die Jahre, eigentlich seit jeher,
bei der bloßen Erwähnung des Wortes „Fußball“
Nase und Skrotum rümpften,
unseren geliebten Sport zu einem Vehikel
ihrer dünkelhaften Selbstsucht zu machen.

Aber wir kennen sie alle!

All jene, die uns bereits vor Jahrzehnten
aus Literaturzirkeln warfen,
weil wir uns gleichermaßen für
Bälle und Belletristik interessierten.
All jene, die plötzlich mit Sammelalben
von Sportliteraten auf den Plan treten.
All jene, die den deutschsprachigen Buchmarkt
mit zweifelhaften, wie schlechten Geruch verströmenden,
entbehrlichen Machwerken überfluten.
All jene, die die VIP-Bereiche der Stadien
für Gesichtsbäder nutzen,
anstatt unser Land zu regieren.
All jene dubiosen Förderer und Unterstützer,
die zwar mit einem Fuß auf dem
grünen Rasen, mit dem
anderen jedoch bereits im Gefängnis stehen.

Freunde, wir rufen Euch alle auf:
Werft sie aus den Logen der Stadien
und sperrt sie wieder in die Straßenkäfige
oder verbannt sie wieder auf die Wiesen
hinter unseren Häusern!
Mästet sie mit wabbeliger Käsekrainer,
anstelle von Shrimpscocktails und Wachteleiern!
Füllt sie mit warmem Dosenbier ab,
anstelle von eisgekühltem Winzersekt!

Reißt den Fußballsport aus den Händen
dieser Schickimicki-Highsnobiety und
überantwortet ihn wieder den starken
Armen des Stehplatzes!

Wir brauchen Erdung, aber keine Totengräber!
Wir brauchen Authenzität, aber keinen Mammon-Autismus!
Wir brauchen Fußballspieler, aber keine Kinder-Millionäre!
Wir brauchen Fußballfans, aber keine abgehobenen Sportvoyeure!
Wir brauchen Euch!

gegeben im Juni 2007 in Gmünd und Wien