Die letzte EM-Generalprobe gegen unseren Nachbarn Slowakei, genau eine Woche vor unserem ersten Turnierspiel, brachte ein 0:0 und wenig Antworten auf viele Fragen. Trotz der Erkenntnis, dass wir keine Tore mehr schießen können und hinten chaotisch-unsicher agieren, gab es einen großen Lichtblick: Unser geliebter Teamchef Franco Foda hat eine Weltneuheit in der Aufstellungstaktik erfunden, die bald globale Beachtung finden wird…
Es war einmal ein genialer Fußballgelehrter, der hieß Enzo Bearzot und war weltberühmt für seine sture Kontinuität. Er scherte sich nicht um die Tagesform seiner Kicker und deren Performance bei den jeweiligen Vereinen. Nein, dieser berühmte italienische Teamchef stellte jahrelang, in jeder Situation und bei jedem Wind und Wetter, immer dieselben Spieler auf. Diese Taktik war in mehrfacher Hinsicht höchst erfolgreich. Erstens kann ich noch nach Jahrzehnten im Schlaf die Spielernamen der italienischen Nationalmannschaft Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger aufsagen. Zweitens errang Bearzots „Elf“ (im wahrsten Sinne des Wortes) immerhin den WM-Titel 1982.
Es war und ist ein Fußballgelehrter, der heißt Franco Foda und hat nur sehr wenig mit besagtem Enzo Bearzot zu tun. Bislang war er auf internationalem Parkett eher unbeachtet, zumal er keine Welt- und Europameister trainierte, sondern die österreichische Nationalmannschaft. Erst seit dem historischen 6. Juni 2021, nach dem ultimativen EM-Testspiel gegen die Slowakei, rückt er zusehends in den Fokus der weltweiten Wahrnehmung. Er hat nämlich eine neue Strategie in der Mannschaftsaufstellung ers(p)onnen, und zwar die „Formationsfindung mittels Aleatorik“.
Weniger hochtrabend formuliert: Er ist ganz offensichtlich dazu übergegangen, die Spieler und deren jeweiligen Positionen knapp vor Matchbeginn zusammenzuwürfeln. Das geht so: Man nehme einen handelsüblichen Würfel zur Hand und ermittle mit selbigem Werkzeug aus einem Pool von 20 guten Feldspielern zehn Mannschaftsmitglieder. Auch die unerhebliche Frage, wo diese Spieler am Feld stehen sollen und wer wann gegen wen ausgetauscht wird, bleibt der Aleatorik überlassen. So kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Konrad Laimer in der Rolle des zentralen Spielgestalters wiederfindet und der defensive Abräumer Ilsanker in der 50. Spielminute die Stürmerhoffnung Baumgartner ersetzt. All dies wurde bei der Würfelcoach-Weltpremiere gegen die Slowakei eindrucksvoll bewiesen.
Kleine Nachteile (man weiß nicht, wie Arnautovic mit Kalajdzic zusammenpasst, verzichtet auf eine eingespielte Innenverteidigung, ignoriert die Bedürfnisse eines geordneten Spielaufbaus, schießt vorne keine Tore und läuft minütlich Gefahr sich hinten eines einzufangen) konnten angesichts dieser Foda‘schen Innovation locker in Kauf genommen werden. Großer Vorteil: Niemand, wirklich niemand, kann erahnen, in welcher Zusammensetzung die österreichische Nationalmannschaft im nächsten Spiel auflaufen wird.
Das Aufstellungsmodell nach Foda hat für den ÖFB einen weiteren Vorteil: Man spart sich bei der bevorstehenden EM das teure Hotelzimmer und die Flugkosten für den Trainer. Denn würfeln kann auch der Zeugwart…