Liebe deutsche Nachbarn, verehrte große Brüder, bewunderns- und nachahmenswerte Lehrmeister des gehobenen Fußballs, liebe Weltmeister:
Wisst ihr, wir kommen aus Österreich, und auch bei uns wird Fußball gespielt. Halt – ich will euch nicht Unrecht tun! Bestimmt habt ihr eure Recherchen über den österreichischen Turniergegner schon hurtig vorangetrieben. Geehrte deutsche Nachbarn, wir wissen so viel über euren Fußball, ihr so wenig über den unsrigen! Wir können im Schlaf den 18 Mann-Kader von Hannover 96 aufsagen, kennen die aktuellen Top Ten der Bundesliga-Torschützenliste und den Biorhythmus von Thomas Müller auswendig. Ihr hingegen kennt höchstens unseren Rekordmeister Rapid Wien, dessen Namen ihr aber leider völlig falsch aussprecht, die Weichheit der österreichischen Zunge nicht kennend. „Rahppppit“ sagt ihr, so wie John Cleese von Monty Python einen Hasen benennen würde. Wart ihr schon einmal bei der Vierschanzentournee der Schispringer in Oberstdorf oder Garmisch? Ja? Dann habt ihr sicher früher euren Thoma, Weisflog, Schmitt oder Hannawald entsprechend angefeuert. „Zieeeeh“, habt ihr dann sicher während des Fluges des Springers gerufen. Seht ihr, und so wie dieses „Zieeeeh“, so muss man den Namen „Rapieeeed“ idiomatisch korrekterweise dehnen.
Wisst ihr, dass die erste Begegnung unserer beiden Länder bereits 1908 ausgetragen wurde? Wisst ihr, wer gewonnen hat? Österreich! 3:2 (kommt euch das Resultat irgendwie bekannt vor?). Wisst ihr, wer die zweite Begegnung gewonnen hat? (Österreich – 2: 1 in Dresden) – die dritte? (Österreich – 5:1 bei den Olympischen Spielen in Stockholm) – die vierte? (Österreich – 1920 in Wien, wieder 3:2).
Erst 1922 konntet ihr uns erstmals schlagen, um am 21. Juni 1978 im argentinischen Cordoba wieder gehörig eins auf die Mütze zu bekommen. 35.000 Zuschauer vor Ort und hunderte Millionen vor den meist noch in Schwarzweiß flimmernden Fernsehgeräten das Wunder von Cordoba empfingen. Ich will euch nicht reizen, nach vielen Jahrzehnten kostspieligster Verhaltenstherapie kann ich heute der Versuchung locker widerstehen bei der Wiedergabe des Berti-Vogts-Eigentores die Faust zu ballen. Jede Häme ist mir mittlerweile so fremd wie einem Tiroler Gastronom ein Schihütten-Nepp.
Apropos Hans Hubert Vogts: Herr „Terrier“ steht ja in einem österreichischen Beliebtheitsranking auf einer Stufe mit dem Kahn Olli und dem Rummenigge Kalle! Zurecht, wie wir gleich sehen werden: Der deutsche Ex-Bundestrainer rechnet nämlich fest mit dem Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft bei der EM-Endrunde in Frankreich. „Wenn man als Weltmeister aus Brasilien heimgekommen ist und sich die zweitbeste europäische Mannschaft bei der WM, Holland, gar nicht für die EM qualifiziert hat, dann stellt sich diese Frage gar nicht“, teilte Vogts im Januar der „Rheinischen Post“ und dem Rest der Welt mit. Naja, wenn das nicht schon wieder ein Eigentor wird….
Aber werden wir zum Schluss versöhnlicher und enden wir mit einem Gedankenexperiment: Versetzt euch kurz in die die Gedankenwelt eines sozialen Aufsteigers, der all sein Streben danach richtet, soviel Geld zu erwirtschaften, dass er sich eine Rolex leisten kann! Stellt euch vor, er schafft dies irgendwann! Was tut er dann? Er wird aufgrund eingefahrener Routine ebenso fleißig weiterarbeiten, bis er sich eine zweite Rolex kauft. Gut, man hat ja immerhin zwei Hände. Die dritte erwirtschaftete Rolex kann er sich in Reserve halten, wenn ihm eine der beiden anderen einmal versehentlich vom Arm fällt. Spätestens aber dann braucht er mit Sicherheit keine weitere Rolex mehr.
Ihr wart bereits dreimal Europameister. Wir noch nie. Wir wollen und brauchen die Rolex! Also, überlasst sie uns diesmal mit großer sportlicher Geste. Seid gute Nachbarn und lasst euch besiegen! Dann wird unsere Liebe zu euch endgültig sein. Echt!
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