Fünf Tore und ein goldener Sinnspruch

Nach den mauen Septemberbegegnungen hat uns die Nationalmannschaft durch eine herausragende Leistung gegen Norwegen einen goldenen Fußball-Oktober beschert. Matchwinner war Österreichs Kapitän Marko Arnautovic, der mit den ersten zwei Toren den Grundstein für den Erfolg sorgte und den österreichischen Zitatenschatz um einen bemerkenswerten Satz erweiterte…

Vor einigen Jahrzehnten wäre ein Kantersieg gegen Norwegen keine Besonderheit gewesen. Damals waren in diesem schönen skandinavischen Land noch Langlauf und Walfang die präferierten Formen körperlicher Betätigung. Die Fußballteams wurden von wackeren Elchjägern und vierschrötigen Schiffsbauern gestellt. Im Jahr 2024 sind viele norwegische Spieler Stützen bekannter internationaler Vereinsmannschaften, und einer aus ihren Reihen, der 24-jährige Ex-Erling Haaland, gehört sogar zu den besten Stürmern der Gegenwart.

Dieser wuchtige junge Mann, der bekanntlich wie unser Trainer Rangnick über Red Bull-Erfahrung verfügt, wäre beinahe schon in der sechsten Minute des Nations League-Spieles in Linz zum Partycrasher geworden. Sein Schuss an die Innenstange hätte dem Spiel vielleicht einen für uns unangenehmen Verlauf geben können. Glücklicherweise war dies auch schon die letzte wirklich gefährliche Aktion des Stürmerstars, der unser Team durch sein Tor im Hinspiel noch auf die Verliererstraße gebracht hatte. Stattdessen setzte Österreich nahtlos an die Leistung gegen Kasachstan wenige Tage zuvor an. Ehe Erling und Co noch die Enttäuschung über den Aluminiumtreffer abgeschüttelt hatten, zeigte Kapitän Marko Arnautovic, dass er in lichten Momenten ebenfalls an die Weltklasse heranrücken kann. Ideal von Baumgartner bedient, bugsierte er den Ball in das linke Kreuzeck. Danach folgte ein, beinahe schon übliches, Pressing-Furioso in Rotweißrot. Arni, Baumi und Sabitzer (ab Minute 15 mit stylischem Carsten Jancker-Gedächtnisturban) zauberten vorne, links sorgte Mwene für schnörkellose Dynamik. Hinten wiederum schien die Abwehr rund um Trauner alles weitgehend unter Kontrolle zu haben, auch wenn die zumeist tief stehenden Norweger immer wieder für gefährliche Befreiungsschläge sorgten. Die Führung der Österreicher hätte durchaus schon höher geraten können, doch es kam vorerst anders: Nach einem Freistoß stand unser Goalie Pentz, der zuvor recht sicher „in der Luft“ agiert hatte, irgendwie falsch im Fünfer herum, sodass der Angreifer Sörloth zum Ausgleich köpfen konnte. Der Pausenstand von 1:1 spiegelte nicht die Überlegenheit des Heimteams wider. Die Zuschauer aber waren hochzufrieden, denn sie waren einer äußerst erfrischenden ersten Halbzeit ansichtig geworden.

Nach Wiederanpfiff geschah das, was man in der jüngeren Vergangenheit bisweilen vermisste: Österreich fiel leistungsmäßig nicht ab, sondern legte im Gegenteil noch zwei Gänge zu. Nach Foul an Baumgartner verwandelte Arnautovic den Elfer knochentrocken und erzielte somit sein mittlerweile 39.Tor im Team. Dies wird Toni Polsters Anwälte wohl zur Schnappatmung veranlasst haben, suchen sie derzeit doch mit der Lupe nach nachträglich anrechenbaren Zusatztoren des ewigen Totschützenersten (44 Stück). Ich habe übrigens einen Tipp für sie: Man könnte ja eigentlich Tonis drei Tore im WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR anno 1989 doppelt rechnen, immerhin standen viele damalige Ostdeutsche später auch im vereinigten bundesdeutschen Team. Möglicherweise schlugen also damals bereits zwei Herzen in deren Brust…

Aber zurück zum Spiel gegen Norwegen: Des Chronisten Pflicht ist diesmal eine äußerst angenehme! In Minute 57 stieg Philipp Lienhardt nach einem gut von Romano Schmid getretenen Corner eine Etage höher als die hochgewachsenen norwegischen Verteidiger und köpfte zum 3:1 ein. Kurz danach sorgten – dank zweier Maßflanken von Sabitzer – Posch und Gregoritsch abermals per Kopf zum 5:1-Endstand. Was für ein Fußballabend! Mit diesem herausragenden Resultat hat Österreich den direkten Vergleich gegen Norwegen für sich entschieden, der Gruppensieg und der damit verbundene Aufstieg in die höchste Nations League-Klasse sind nun in durchaus realer Nähe.

Der Spieler der Begegnung war eindeutig der wiedererstarkte Marko Arnautovic. Seine großartige Leistung rundete er zudem mit einem bemerkenswerten Statement ab: Nach dem Grund für die eher schwachen Leistungen des Teams im September befragt, antwortete er im Brustton der Überzeugung: „Das waren nicht wir!“. Nun, kombiniert mit Bundespräsident Van der Bellens legendärem Sager („So sind wir nicht!“) verfügen wir nun über ein nicht unterschätzbares verbales Rüstzeug, um nationale Missstände und Unbequemlichkeiten mit der uns eigenen rotweißroten Zuversicht abzufangen…

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Süßigkeiten gestrichen!

Der kroatische Rekordinternationale erzielte das erste Tor

Was hätte das für ein toller Fußballabend werden können! Österreich hielt im abschließenden Nation League –„Heimspiel“ lange Zeit gut mit dem Gegner mit, ein Verbleib in der obersten Spielklasse schien durchaus im Bereich des Möglichen. Doch dann griff Trainer Rangnick unordnend ins Spielgeschehen ein und vercoachte dadurch die ganze Partie. Eine Niederlage, die wirklich nicht hätte sein müssen…

Schon vor Anpfiff stand fest, dass ein Großteil der im Praterstadion versammelten Einheimischen zu den kroatischen Gästen hielt. Somit konnte man die Geburt eines neuen Phänomens erleben – jenes des „Heimnachteils“. Der Fußballverband des Vizeweltmeisters wäre angesichts dieses euphorischen Umfeldes gut beraten, richtig wichtige Spiele der kroatischen Mannschaft künftig allesamt in Wien auszutragen – und nicht in der emotionsarmen Atmosphäre der Hauptstadt Zagreb oder gar in der dalmatinischen Stimmungswüste von Split.

Beflügelt von dieser einzigartigen Stimmung legten sich die Kroaten von Anfang an voll ins Zeug. Luka Modric, der mit 154 Einsätzen noch um ganze 50 Länderspiele mehr auf dem Buckel hat als unser neuer Rekordinternationaler Marko Arnautovic, sorgte schon nach wenigen Minuten für die kroatische Führung. Schon fürchtete man, dass das Spiel auf ähnlich schiefer Ebene ablaufen würde wie jenes kürzlich gegen die Franzosen. Ein etwas glücklicher Treffer Baumgartners (erstmals in der ÖFB-Geschichte waren die VAR-Götter auf unserer Seite und ignorierten das klare Abseits im Angriffssaufbau) brachte den ersten Wendepunkt des Spiels. Plötzlich agierte unser Team so wie wir es uns immer wünschen würden, produzierte schöne Spielzüge und hätte zur Pause eigentlich führen können/sollen/müssen. Nach Wiederanpfiff verflachte das Spiel etwas. Die Kunde aus Dänemark, dass Frankreich im Parallelspiel überraschend zurückläge, nährte die Hoffnung, sich durch einen Sieg sensationell in der obersten Spielklasse zu halten. Man träumte schon vom erlösenden Siegestor – mutmaßlich von Arnautovic erwirkt.

Nach etwas mehr als 60 Minuten folgt aber Wendepunkt Nummer 2.  Da greift der rotweißrote Regisseur gnadenlos vom Spielfeldrand aus ein. Der weise Coach Rangnick verwandelt sich in das Kleinkind Ralf, das eine Stunde lang konzentriert und eifrig seine Bauklötze zu einem wunderbaren Gebäude getürmt hat, dann aber urplötzlich die Freude am kreativen Spiel verliert und in einer Sekunde infantiler Impulsivität die Trägersteine aus dem Artefakt zieht und somit selbiges spektakulär zu Fall bringt. Arnautovic raus – dafür ein Mitspieler rein, dessen Name nur Fachleuten mit UEFA-lizenzierter Ausbildung zum Nachwuchs-Scout geläufig ist. Der glänzende Trimmel auch raus, die tadellos funktionierende Dreierkette mutiert von einer Minute auf die andere zu einem rissigen Viererfädchen. Manöver wie zu schlimmsten Foda-Zeiten! Niemand kannte sich mehr aus, am allerwenigsten die so wild durcheinandergewürfelten österreichischen Spieler. Binnen drei Minuten fingen sie sich zwei Treffer ein, welche die unnötige 1:3-Niederlage besiegelten.

Nach Spielende gab – der nun wieder in Erwachsenengestalt rückverwandelte – Rangnick zerknirscht zu, dass er die Partie vercoacht hatte („Würde ich so vielleicht nicht wieder machen“). Trotzdem ärgerlich, Ralf! Süßigkeiten für diese Woche gestrichen!

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