Kroatien, das viele von uns sommers so gerne besuchen, ist uns eigentlich ziemlich vertraut. Dennoch gibt es immer wieder etwas zu entdecken. Manchem unbekannt ist beispielsweise, dass die Krawatten ihren Ursprung in diesem wunderschönen Adria-Land haben. Für viele neu war bis gestern, dass die herausragendsten Sportler Kroatiens gerne Urlaub im eigenen Lande machen. Und völlig unvorstellbar war bislang, dass diese große Fußballnation zuhause gegen Österreich in einem Bewerbsspiel mit 0:3 untergehen kann…
Dabei begann beim Debüt von Neo-Teamchef Ralf Rangnick alles wie erwartet. Unsere Mannschaft wurde schon vor Beginn der Nations League-Partie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eingeschüchtert. Unerbittlich stach die Sonne Osijeks auf die neuformierte österreichische Elf herab, als sie der etwa 21-minütigen, von grimmigen Sängern in blütenweißen Marineuniformen a capella vorgetragenen Hymne des Gastgebers lauschen musste. Da nahm es nicht wunder, dass Goalie Heinz Lindner etwa 15 Sekunden nach Anpfiff einen Ball direkt vor die Füße der kroatischen Offensive kickte. Die Strafe blieb gottlob aus. Obwohl unsere Dreierkette in den ersten 40 Minuten schwamm, als befände sie sich auf Betriebsausflug im dalmatinischen Küstengewässer, fing sie sich mit viel Glück keinen einzigen Treffer ein. Auch Kommentator Oliver Polzer gebar den einen oder anderen seiner beliebten Hoppalas, so verwechselte er aus unerklärlichen Gründen unseren Abwehrrecken Kevin Danso mit Teamkollegen Karim Onisiwo. Dann aber machte der diesmal als Kapitän auftretende Arnautovic in seinem 99. Länderspiel das, was ihm jederzeit zuzutrauen ist: Energisch tankte er sich durch, brachte sich selbst in ideale Schussposition und zog ab, dass es im Netz der Fischernation nur so rauschte. Als es in die Kabinen ging, rätselte man hüben und drüben über den Spielstand von 1:0 für Österreich.
Zur wahren Überraschung aber geriet die zweite Spielhälfte! Wer erwartet hatte, der Vizeweltmeister würde sich aufbäumen und dem lästigen Widersacher seine Grenzen aufzeigen, sah sich nach 90 Minuten vollends getäuscht. Obwohl frische Kräfte vom internationalen Starzuschnitt eines Luka Modric eingewechselt wurde, drehten die weltweit etwas weniger bekannten österreichischen Kicker gehörig auf und legten ein zweites und drittes Tor nach, ohne dass Kroatien dem etwas entgegensetzen konnte. Nach dem völlig überraschenden Endstand von 0:3 stellt sich die Frage, ob wir so gut waren oder die in den besten Ligen der Welt auftrumpfenden kroatischen Spieler ihren Heimateinsatz zum entspannenden Sonnenbade nutzen wollten.
Die kommenden Spiele gegen Dänemark und Frankreich werden es zeigen. Das Debüt von Ralf Rangnick hätte jedenfalls nicht besser ausfallen können. Wohltuend war auch, dass sich Spieler wie Trainer ungewohnt unanfällig für in der Euphorie des Moments geborene Wahnvorstellungen zeigten. Früher hätte man bei solchen Gelegenheiten durchaus Satzfragmente wie „Eine Sternstunde des österreichischen Fußballs“ oder „Wir sind am besten Wege zu einer Nations League-Nation“ vernommen. Ralf Rangnick aber blieb sachlich und vermittelte verbal und nonverbal, dass Erfolg durchaus auch im österreichischen Nationalteam verortet werden könnte. Auch dies macht der gebeutelten Fanseele Mut!