Was für ein bitterer Fußballabend! Nur wenige Tage nach dem Rekordsieg gegen San Marino inklusive Arnautovic-Festspiele vermochte Österreich im wichtigen WM-Auswärtsspielen gegen Rumänien nicht zu überzeugen und verlor ebenso unglücklich wie verdient mit 1:0. Dennoch ist die WM-Chance nach wie vor sehr groß.
Der leider noch immer fußmarode Ralf Rangnick hatte seinen schon vom letzten Spiel bekannten Dreiradler mit nach Bukarest gebracht. Diesmal sollte sich dieser aber nicht als Glücksrad erweisen. Der Lenker desselben hatte seine Mannschaft an mehreren Positionen verändert. Der San Marino-Marko musste, zumal auch körperlich etwas angeschlagen, auf der Ersatzbank Platz nehmen. Die Torhüterposition nahm diesmal wieder Schlager ein. Auch die rumänischen Gäste hatten einige Ausfälle zu beklagen. Ein langhaariger bärtiger Tenor schmettert grimmig die Hymne der Heimischen („Deșteaptă-te, române!“ – „Erwache Rumäne“) in den Abendhimmel Bukarests. Und in der Tat agierten die unter argem Zugzwang stehenden Osteuropäer von Beginn an konzentriert und ausgeschlafen. In keiner Weise ließen sie sich von der blütenweißen Weste des ungeschlagenen Tabellenführers, welche die österreichischen Spieler an diesem Abend auch in textiler Manifestation umhüllte, beeindrucken.
Viele Fußballfans, auch in diesem Forum, hatten eindringlich davor gewarnt, nach dem Rekord-Spiel vom Donnerstag in unangemessener Weise auszuflippen. Rumänien, so hatte es geheißen, sei nicht San Marino. Auch nach einem 10:0-Kantersieg gegen einen unterklassigen Gegner könne man nicht glauben, jedes beliebige Team an jedem beliebigen Tag an jedem beliebigen Ort schlagen zu können. Rumänien sei, hatten sie gesagt, ein Traditionsteam mit großer Geschichte und habe wie Österreich bei der EM 2024 das Achtelfinale erreicht. Keinesfalls sei Österreich als klarer Favorit auszumachen. Wie Recht sie gehabt hatten!
Die Elf des greisen Trainers Lucescu, der ohne Gehhilfe ins Stadion gekommen war, zeigte von der ersten Spielminute an, wie man das österreichische Erfolgsteam in arge Schwierigkeiten bringen kann, und zwar mit körperbetontem Spiel, energischen Zweikämpfen, gepaart mit individueller spielerischer Klasse. Was für ein Unterschied zum trügerisch berauschenden Badekick gegen die San-Marinesen (Faktencheck hinsichtlich des Namens absolviert) ein paar Tage zuvor! Diesmal stieß unser Angriff nicht minütlich in den gegnerischen Strafraum vor, diesmal kam nicht jeder verlorene Ball zwei Sekunden später zum Absender zurück. Nein, im Gegenteil, die Rumänen gewannen mehr Zweikämpfe als wir und kamen dadurch besser ins Spiel. Auch ließen sie früh ihre technischen Fertigkeiten erkennen. Dies zeigte unter anderem eindrucksvoll die talentierte Sturmkraft Maihaila, deren Fallrückzieher in der Frühphase des Spiels beinahe für das Tor der gesamten WM-Qualifikation gesorgt hatte. Über weite Teile der ersten Spielhälfte war das Spiel äußerst zerfahren. Österreich kam nicht und nicht ins Spiel, einzige Ausbeute der sehr erfolglosen Offensivbemühungen war ein Schuss von Romano Schmidt, der aber weit übers Tor ging. Das Beste nach 45 Minuten war der recht schmeichelhafte Spielstand.
Personell unverändert kam Österreich aus den Kabinen, leicht zum Positiven verändert aber war die Spielanlage. Plötzlich erzwangen Rangnicks Mannen den einen oder anderen Ballbesitz. Der gut platzierte Schuss Sabitzers, der vom rumänischen Goalie in der 49. Spielminute nur mit Mühe aus dem Kreuzeck bugsiert werden konnte, hätte beinahe für die Führung der Gäste gesorgt. Just in unserer besten Spielphase aber erfolgte der bislang gefährlichste Angriff Rumäniens. Wieder war es Mihaila, der für Aufsehen sorgte, dessen Schuss aber nur die Außenstange streifte. Knapp zehn Minuten später war es Schlager, der durch eine tolle Parade den Führungstreffer Rumäniens verhinderte. Dann verflachte das Spiel erneut, viele Spielunterbrechungen brachten auf beiden Seiten den Spielfluss zum Stottern. Die rumänische Bildregie widmete sich vermehrt dem Einfangen bemerkenswerter, zumeist weiblicher, Fans. So oft wurden einzelne Afficionadas von der Kamera eingefangen, dass der unbedarfte TV-Zuseher diese schon recht gut auseinanderhalten konnte, währenddessen man längst schon vergessen hatte, welche Gesichter eigentlich Österreichs Angriff bildeten. Auch eine personelle Auffrischung Rangnicks (Grillitisch, Prass, Florucz, Schöpf) vermochte keine positiven Akzente zu setzen. An einem Tag, an dem wenig gelang, so begann man sich schon zu trösten, sollte man sich mit einem (für die Tabelle wichtigen) Pünktchen durchaus anfreunden können.
Bis weit in die Nachspielzeit hinein schaute es auch nach einer Punkteteilung aus, zumal auch die Gastgeber nichts mehr zuzulegen zu vermögen schienen. Minutenlang wurde der Ball von den Österreichern hin und her geschoben. Doch in den allerletzten Sekunden gelang den Heimischen noch ein bildschöner Angriff. Perfekte Flanke, perfekter Kopfball des Innenverteidigers Ghitas, perfekter Abschluss. Wie in Wien drei Monate zuvor hatte sich unser Team ein spätes Tor gegen Rumänien eingefangen. Hatte der damalige Anschlusstreffer noch einen kleinen und unbedeutenden Schönheitsfleck dargestellt, so war diese letzte Aktion des Spiels diesmal ein wahrer Nackenschlag. Der wichtige Auswärtspunkt war plötzlich weg. Welch Jammer in Europas Osten, die weißen Westen bekamen einen furchtbaren Patzer ab!
Im November müssen wir uns wieder neu aufbäumen. Die WM-Chance ist noch immer groß. Mit Glück kann man sich das WM-Ticket schon im Spiel gegen Zypern sichern. In jedem Fall würde aber ein Heimsieg gegen Bosnien am 18. November reichen.
Claus Farnberger