Wir sind stolz auf unser Team

Niemand hatte gestern Lust auf ein Länderspiel, am allerwenigstens, scheint’s, die Spieler selbst. Die furchtbaren Ereignisse in Graz lähmten gefühlt das ganze Land. Doch was hilft’s? Der Bäcker muss weiter sein Brot backen, der Mechaniker weiter Autos reparieren und der Fußballer muss weiter Fußball spielen, auch wenn die Zeit still zu stehen scheint. Die größte Leistung des österreichischen Nationalteams war gestern nicht der 4:0-Erfolg gegen den FIFA-Ranglisten-Letzten San Marino, sondern die Eloquenz und die Empathie der Spieler, wie sie die grauenvollen Ereignisse in Graz vor und nach dem Spiel kommentiert haben. Worte und Gesten, die weit über das übliche Tragen eines Trauerflors und das Abhalten einer obligaten Trauerminute vor Spielbeginn hinausgingen. Noch nie hat der Satz so gestimmt wie diesmal: Wir können stolz auf unser Team sein!
Von Ralf Rangnick bis Marko Arnautovic, jeder traf den richtigen Ton, jeder auf seine Art, aber jeder authentisch und aufrichtig mitfühlend. Herausgehoben sei ein Zitat von Michael Gregoritsch, der 10 Minuten von der Unglücksstelle aufgewachsen ist. Sinngemäß sagte Gregoritsch, dass die Mannschaft verhindern wollte, dass das Spiel zu groß, zu wichtig, würde. „Wir haben 30 Minuten unsere Arbeit professionell erledigt“, meinte der Torschütze zum 2:0, danach sei halt zu Ende gespielt worden.
Und Gregoritsch hat recht! Bereits nach drei Minuten erzielte Arnautovic den Führungstreffer, Gregoritsch legte nach 11 Minuten nach, wieder Arnautovic (15.) und schließlich Baumgartner (27.), und es stand 4:0. Die Österreicher spielten bis dahin druckvoll, professionell eben. „Wir haben die Verantwortung für Österreich gehabt, unseren Job auszuführen“, war sich Gregerl der Schwierigkeit der Aufgabe bewusst. Was danach folgte, kann man in einem Satz zusammenfassen: Österreich tat das Nötigste, kam trotzdem zu guten Chancen, ein Tor wurde vom VAR wegen knappen Abseits aberkannt, ein Elfer zurückgenommen und ein Elfer von Arnautovic verschossen. Einen Ehrentreffer der Heimischen ließ man allerdings auch nicht zu.
Auch in unserer Fernsehrunde kam keine richtige Länderspielstimmung auf, die vier Treffer wurden zur Kenntnis genommen, das Bier hatte einen schalen Beigeschmack. Einzig das Fernduell um den Torrekord im Nationalteam zwischen Arnautovic und Toni Polster barg eine gewisse Komik, wenn man sich dazu Toni Polster im Fernsehsessel während des Spiels vorgestellt hat. Zur Erinnerung: Toni Polster führte die Liste mit 5 Treffern Vorsprung auf Arnautovic vor der Partie an. Dazu kommt, dass sich Toni Polster, sogar durch einen Gerichtsbeschluss zusätzliche Treffer von nicht offiziellen Länderspielen gutschreiben lassen wollte. Ein Ausdruck lächerlicher Verzweiflung, der bei den meisten Fußballfans nur ein müdes Kopfschütteln hervorgerufen hat.
Nach elf Minuten war Tonis Vorsprung auf 3 Treffer geschrumpft, Toni versank vermutlich immer tiefer in seinen Fernsehsessel. Zweite Halbzeit: Arnautovic vergibt einen Elfmeter, Toni wieder obenauf. Ein Wechselbad der Gefühle! Lieber Toni, hier ist die ganze grausame Wahrheit: dein Torrekord wird Arnautovic nicht überleben! Abgesehen von allen anderen Spielen, die er noch machen wird, gibt’s auf jeden Fall noch das Heimspiel gegen San Marino, hoffentlich unter weitaus erfreulicheren Umständen. Und eine Verletzung wirst du unserem Nauterl doch nicht wünschen, oder? Wir sind doch alle faire Sportsmänner.

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