Könner am Feld, Pfeifen im Publikum

Die 17. Fußball-Europameisterschaft ist bereits wieder Geschichte. Mit Spanien wurde ein verdienter Sieger gekürt. Wir Österreicher weinen noch immer ein wenig ob unseres bitteren Ausscheidens im Achtelfinale. Wir wurden um eine Illusion ärmer, aber dennoch um viele Erkenntnisse reicher.

Leitete mit seinem Führungstor Spaniens Finaltriumph ein: Nico Williams. Bild: Tschutti

Blicken wir zuerst auf das Ende dieser langen Geschichte, auf das Finale: Ein Fußballfest sieht leider anders aus, daran konnten auch die beherzt herumhüpfenden bunten Gestalten bei der Schlussfeier nichts ändern. Ein echtes Fußballfest müsste von Begeisterung, Freude und Respekt getragen sein. Davon war vielleicht einiges am Spielfeld selbst, leider aber wenig im weiten Berliner Stadionrund zu spüren. Gellende Pfiffe gegen unliebsame Protagonisten trübten die Atmosphäre von der ersten Spielminute an. Besonders der Spanier Marc Cucurella, der im Viertelfinale Deutschland gegen Spanien im Zentrum einer strittigen Spielsituation gestanden war, bekam erneut sein Fett ab. Gottlob hat dieser iberische Sportsmann aufgrund seiner schalldichten Haarmatte nichts davon gehört! Unsereiner, dessen Frisur sich aus verschiedensten Gründen weniger wollig ausnimmt, musste das unerträgliche Gepfeife jedoch ungefiltert über sich ergehen lassen. Was dachten sich eigentlich diese Typen auf der Tribüne, deren Gesäße den Platz für Fußballfans mit sportlicherer Einstellung blockierten? Genug davon!

Spanien wurde in diesem streckenweise sehr munteren Spiel jedenfalls verdient Europameister, zum vierten Mal schon, was ein Rekordwert ist. Der 17-jährige Lamine Yamal kürte sich zum jüngsten EM-Champion aller Zeiten, und dies nicht durch sporadische Kurzeinsätze, sondern als wesentlicher Leistungsträger der „Furia Roja“. Die Engländer wiederum gaben einen würdigen Finalgegner ab, was aufgrund der eher erbärmlichen Leistungen in den ersten Spielen mehr als überraschend war. Letztlich mussten sich die Mannen Southgates, so wie beim letzten Finale im Londoner Wembley-Stadion, erneut geschlagen geben. Unter Tränen stimmten die Fans der „Three Lions“ den ewigen Gassenhauer „Football´s coming home“ an. Mit Recht, denn die nächste EM findet 2028 auf der Insel statt.

Wer prägte sonst noch diese 17. Fußball-Europameisterschaft? Gastgeber Deutschland erfing sich sportlich zur rechten Zeit und mauserte sich im Verlauf des Turniers zu einem Semifinalaspiranten. Die Ansprüche hielten dann doch nicht ganz Schritt mit den realen Möglichkeiten, manche guten spielerischen Ansätze wurden von der deutschen Presse überhöht dargestellt. Insbesondere Rückkehrer Toni Kroos wurde als eine Art tausendäugiger und hundertfüßiger Heilsbringer apostrophiert. Einer seiner hundert Haxln hat dem spanischen Star Pedri jedenfalls eine Verletzung zugefügt, die diesem die Finalteilnahme verwehrte…

Erfreulich erfrischend die Georgier, solide und erfolgsorientiert die Schweizer, enttäuschend die Belgier und Kroaten – und bemitleidenswert die Italiener! Während unsere südlichen Nachbarn in den letzten Jahren in den verschiedensten Sportarten große Erfolge einfuhren, Olympiasieger im 100 Meter-Lauf und im Hochsprung hervorbrachten und auch die Nummer Eins im Welttennis stellen, sorgten sie in ihrer vermeintlichen Paradedisziplin, dem Calcio, von den Dolomiten bis zum Ätna für abgrundtiefe Enttäuschung. Fratelli, lasst Euch in Zukunft bitte etwas einfallen!

Und die Österreicher? Die Wunde schmerzt noch immer! Wenig Trost, dass wir in der Gruppenphase zwei Halbfinalisten hinter uns gelassen haben. Man könnte sagen, dass uns unsere Sternstunde eine Begegnung zu früh geschlagen hat. Dem furiosen 3:2-Erfolg gegen die Niederlage folgte bekanntlich ein bitteres 1:2 gegen die Türken. Gründe für diese Achtelfinalniederlage gibt es viele, ein wesentlicher ist wohl die mangelnde Erfahrung im Umgang mit KO-Spielen. Ich ertappte mich selbst dabei, dass mich bereits in Minute Eins, nach dem türkischen Führungstreffer, eine dunkle Wolke emotionaler Hasenfüßigkeit umfangen hatte, die ich das ganze Spiel über nicht mehr loswurde. Zwar agierten Rangnicks Spieler am Feld weit tapferer als ich vor dem Fernsehgerät, doch verhielten sie sich dennoch anders als in den Begegnungen zuvor. Die Niederländer hingegen, die sich ein paar Tage darauf in derselben Situation befanden, spielten – abgebrüht durch unzählige KO-Begegnungen bei EM und WM – auch angesichts eines Rückstandes ihren orangen Stiefel herunter und nahmen danach noch relativ flockig die türkische Hürde.

Vieles wäre noch möglich gewesen, vieles wurde bei dieser EM aus österreichischer Sicht aber auch tatsächlich möglich gemacht. Das Turnier reichert unsere kollektive Erfahrung an. Wir können nun auch schon über weite Strecken mit den großen europäischen Kalibern mithalten und sie an sehr guten Tagen auch schlagen. Wir können mit unserem Spiel auch außerhalb der Landesgrenzen eine gewisse Begeisterung entfachen und der Kreis international wirklich wettbewerbsfähiger Spieler ist viel größer geworden. Wir rotweißroten Fußballanhänger sind ebenfalls europaweit herzeigbar, auch wenn man die Augen vor manchen empörenden ideologischen Ausritten nicht verschließen darf. Besonders ekelhaft war in diesem Zusammenhang die Aussage eines österreichischen Jungpolitikers, welcher widerliche verbale Untergriffe absonderte. „Österreichs Team darf nicht Frankreich werden“ skandierte dieser besagte autochthone junge Mann, dem freilich die Merkmale jahrhundertelanger Seitentalkreuzungen im Gesicht picken.

Wir müssen also noch viel arbeiten, um bei der EM 2028 einen weiteren Entwicklungsschritt zu machen. Dies gilt für Spieler, Funktionäre, aber auch für uns Fußballfans!

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