Vor der Pflicht kommt die Pflicht

Mit einem 4:0 gegen Kasachstan brachte sich das österreichische Nationalteam in der Nations League wieder ins Gespräch. Um im Gespräch zu bleiben, ist aber auch ein Sieg am Sonntag gegen Norwegen notwendig.
Diesmal war unserer kleinen, aber feinen Fußball-Fernsehrunde nach reisen zumute. Kurzerhand schlossen wir uns einer Firmenreisegruppe an, vom dortigen Betriebsrat organisiert. Als Waldviertler Hinterwäldler war uns das neue Linzer Stadion noch nicht bekannt, die Vorfreude war groß und konnte kaum mit den gereichten Erfrischungen während der Anfahrt in Zaum gehalten werden. Die 100 Kilometer in die Oberösterreichische Landeshauptstadt waren in gut einer Stunde überwunden, die 200 Meter vom Bus ins Stadion hinein dauerten fast ebenso lange. Wem das eingefallen war, nur eine Seite des Stadions für die Sicherheitsschleusen zu öffnen, verdient unbestritten das Prädikat „Fool of the Match“. Eine lustige Idee, die aber nur wenige der Umstehenden auch tatsächlich zum Lachen brachte.
Endlich drinnen war der Ärger verflogen, das Stadion ist top, die Ränge kompakt, die Stimmung hervorragend. Und das österreichische Team legte schwungvoll los, offensichtlich bemüht den eher durchwachsenen Eindruck der letzten beiden Auftritte in der Nations League zu verwischen. Außenverteidiger Prass war zu Beginn der Auffälligste und brachte mehrmals das kasachische Gehäuse in Gefahr, Stürmer Adamu traf nur die Stange. Nach knapp 10 Minuten war es aber dann so weit: Pressing-Monster Seiwald spitzelte in der Balleroberung zu Baumgartner, der lief allein aufs Tor und ließ dem kasachischen Schlussmann keine Chance. Das frühe Tor war gelungen, es drohte kein Geduldspiel mehr und die Atmosphäre auf den Rängen war durchsetzt mit großen Erwartungen und Vorfreude.
Doch ab dem Führungstreffer verfiel das österreichische Team wieder in alte Untugenden und nahm unerklärlicherweise die Dynamik aus dem Spiel. „Unser bester Spielmacher war das Gegenpressing“, sollte Teamchef Rangnick nachher sagen, und da hat er wohl recht, denn einen anderen Spielmacher hatten wir nicht. Zumindest nicht mehr in der ersten Halbzeit.
Was Rangnick seinen Spielern in der Halbzeitpause gesagt haben mag, kann man nur vermuten. Er schenkte derselben Elf wie in Halbzeit eins weiterhin das Vertrauen und die dankten es ihm mit einem Doppelschlag nach gut 50 Minuten. Zuerst verwandelte Lienhart einen Eckball von Schmid zum 2:0 und dann assistierte Baumgartner Kapitän Sabitzer bei dessen 3:0. Der Käse war gegessen, der Drops gelutscht, das Ding gelaufen! Österreich bringt sich mit einer starken Vorstellung wieder zurück ins Nations League-Geschehen um den Gruppensieg. Dafür ist aber übermorgen ein Sieg gegen Norwegen Pflicht. Mit der Qualität, die wieder in diesem Nationalteam steckt, ist das aber durchaus nicht unrealistisch.
Nachsatz: Warum lieben wir unseren Teamchef immer mehr? Der schwäbische Fußballweise Ralf Dieter Rangnick hat mit seinen Einwechslungen wieder einmal genau ins Schwarze getroffen und das auf zwei Ebenen. Beim 4:0 schupfte Einwechselspieler Grillitsch den Ball auf den Kopf von Einwechselspieler Arnautovic, der Einwechselspieler Seidl den Ball ideal zum erfolgreichen Torabschluss servierte. Weitgehend unbemerkt stand plötzlich Innenverteidiger Svoboda von Venetia als Debütant auf dem Feld. Hand aufs Herz, wer hat den vorher wirklich gut gekannt, außer vielleicht seine Eltern. Mit dieser Maßnahme wird Rangnicks Kader wieder ein Stückchen breiter, die Anzahl der einsetzbaren Spieler wächst stetig und organisch. Außerdem gab Rangnick dem wieder einsatzbereiten Alexander Schlager im Tor 90 Minuten Spielzeit. Das zeugt zumindest von Menschenkenntnis und Führungsqualität des Teamchefs.

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